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Ein Peptid, das aus Sonnenblumenkernen isoliert und laborchemisch optimiert wurde, gilt als vielversprechender und sicherer Kandidat zur oralen Behandlung von Schmerzen oder Entzündungen im Magen-Darm-Trakt beim Menschen. Das Helianorphin-19 genannte Peptid hat sich im Bauchschmerz-Maus-Modell als effektiv in der Schmerzlinderung und gleichzeitig arm an zentralen Nebenwirkungen erwiesen, wie eine österreichisch-australische Wissenschaftlergruppe anhand neuer Studienergebnisse berichtete.

 

Das Helianorphin-19 aus den Samen der Sonnenblume besitzt neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ein hohes analgetisches Potential.

Bildnachweis: AdobeStock_44178885_VRD

 

Seit Jahrzehnten zielt die Schmerzmittelforschung darauf ab, Analgetika zu entwickeln, die klinisch nicht nur wirksam sind, sondern auch Sicherheit versprechen. Im Zentrum der Schmerzmitteltherapie stehen nach wie vor die µ-Opioidrezeptor (MOR)-Agonisten, einschließlich Morphium und Fentanyl. Sie bilden feste Säulen der Schmerztherapie, jedoch zieht ihre Anwendung oft ungünstige und schädliche Nebenwirkungen nach sich, am gefürchtetsten die Atemdepression, daneben Sedierung, Übelkeit, Verstopfung, Toleranz und Abhängigkeit. In den letzten Jahren hat die Verschreibung von Opioid-Schmerzmitteln vielfach überhand genommen und ist regelrecht in eine Opioidkrise eskaliert, im Zuge derer in Nordamerika, Europa und Australien/Neuseeland ein Anstieg des Suchtverhaltens und Tausende von Todesfällen durch Überdosierung zu beklagen waren. Diese Krise hat nicht zuletzt auf bedrückende Weise den weltweit ungedeckten klinischen Bedarf an Analgetika mit verbesserten therapeutischen Profilen offengelegt. Die tragischen Folgen des fehlgelenkten Schmerzmittelgebrauchs hat gleichzeitig das erklärte Ziel der Wissenschaft untermauert, die zentralen Nebenwirkungen von Analgetika möglichst auszuschalten und alternativ zu den Opiaten Medikamente zu generieren, deren pharmakologische Aktivität möglichst auf periphere Schmerzlinderung beschränkt ist.

 

Die Natur als Vorbild bei der Suche nach neuen Substanzen

Unter dieser Prämisse, Wirkstoffe ohne nachteiliges Nebenwirkungspotenzial zu entwickeln, machte sich die österreichisch-australische Forschergruppe Beobachtungen aus der Natur zunutze. Prof. Christian Gruber vom Institut für Pharmakologie der MedUni Wien, Österreich, erklärte im Rahmen einer Pressemitteilung der Uni die Vorgehensweise: „Dafür durchsuchen wir große Datenbanken mit Erbinformation von Pflanzen und Tieren, entschlüsseln neuartige Peptidmoleküle und untersuchen deren Struktur, um sie dann pharmakologisch an Enzymen oder Membranrezeptoren und schließlich im Krankheitsmodell zu testen.” Inspiriert von neueren Studien über die schmerzlindernde Wirkung eines methanolischen Extrakts aus Sonnenblumensamen (Helianthus annuus), nahmen Gruber und sein Team gemeinsam mit Kollegen der University of Queensland und der Flinders University, Australien, das analgetische Potenzial des Sonnenblumen-Trypsin-Inhibitors-1 (SFTI-1, sunflower trypsin inhibitor-1) ins Visier, eines der kleinsten in der Natur vorkommenden zyklischen Peptide, das sie aus Sonnenblumensamen gewannen. Bei insgesamt 19 Peptiden wurde ausgehend vom Originalgerüst des SFTI-1 gezielt die Struktur angepasst und pharmakologisch im Tiermodell geprüft.

In der Pressemitteilung erklärten Gruber und der an den Forschungsarbeiten maßgeblich beteiligte Doktorand Edin Muratspahic: „Eine dieser Varianten erwies sich als unser Top-Kandidat als mögliches neuartiges Schmerzmittel, besonders für Schmerzen im Magen-Darm-Trakt oder in den peripheren Organen. Dieses Peptid ist äußerst stabil, hochpotent und wirkt restriktiv in der Körperperipherie. Daher sind bei Anwendung auch weniger der typischen Nebenwirkungen von Opioiden zu erwarten.“ Bei diesem Peptid handelte es sich um das Helianorphin-19, einen vollen Agonisten des к-Opioidrezeptors (KOR) mit nanomolarer Affinität und Potenz. Das Targeting des к-Opioidrezeptors in der Peripherie hat sich als effizienter Weg zur Entwicklung neuartiger Schmerzmittel ohne zentrale Nebenwirkungen erwiesen. Helianorphin-19 zeigte in den Untersuchungen von Gruber und Kollegen eine etwa 200fach erhöhte Selektivität für KOR verglichen mit der Affinität gegenüber dem µ-Opioidrezeptor (MOR) und dem σ-Opioidrezeptor (DOR).

Das zweite wichtige Ergebnis der Studie war, dass Helianorphin-19 im Mausmodell für chronische viszerale Schmerzen eine starke KOR-spezifische, periphere analgetische Antwort hervorrief, ohne unerwünschte Effekte auf die motorische Koordination oder eine Sedierung zu induzieren.

Die Studie stützt somit nach Meinung der Autoren das Prinzip, nach dem zyklische Peptide aus Pflanzen als Vorlagen dienen können, um potente, stabile und sichere Peptidanalgetika zu entwickeln, die oral zur Behandlung chronischer Bauchschmerzen oder ähnlicher gastrointestinaler Leiden, wie etwa entzündliche Darmerkrankungen, anwendbar sind, da sie über die peripheren к-Opioidrezeptoren wirken.

Dr. Dagmar van Thiel

Quelle: Muratspahic E et al. Design of a Stable Cyclic Peptide Analgesic Derived from Sunflower Seeds that Targets the k-Opioid Receptor for the Treatment of Chronic Abdominal Pain. J. Med. Chem. 2021; 64,9042-9055. doi:10.1021/acs.jmedchem.1c00158

PK 1/2022