Um die Effizienz und Sicherheit eines standardisierten Johanniskrautextraktes an einer größeren Patientenzahl zu überprüfen, führte die Arbeitsgruppe um Michael Philipp vom Bezirkskrankenhaus Landshut eine dreiarmige vergleichende Untersuchung mit Patienten durch, die an einer mittelschweren depressiven Symptomatik litten. Als Vergleichssubstanz wurde Imipramin eingesetzt.
Patienten und Methodik
An der doppelblinden, im Parallelgruppen-Design multizentrisch angelegten Studie nahmen insgesamt 263 Patienten teil, die entsprechend ICD-10 an einer als moderat eingestuften Depression litten (F32.1 und F33.1).
Sie erhielten für die Dauer von acht Wochen entweder den auf 0,2 bis 0,3 Prozent Hypericin und 2 bis 3 Prozent Hyperforin standardisierten Johanniskrautextrakt (Stei 300) in einer täglichen Dosierung von 1.050 mg, oder Imipramin, dessen Dosis – beginnend mit 50 mg am ersten Behandlungstag – im Verlauf von weiteren vier Tagen auf eine Erhaltungsdosis von 100 mg täglich auftitriert wurde. Die dritte Gruppe bekam ein Placebo.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Medikation wurde evaluiert mit Hilfe vonder 17-Item-Version der Hamilton-Depressions-Skala,
- der Hamilton-Angst-Skala,
- der Clinical Global Impression Skala sowie
- der Selbsteinschätzungs-Skala nach Zung
Gleichzeitig wurden mögliche unerwünschte Ereignisse dokumentiert und die Lebensqualität mit Hilfe der SF-36 beurteilt.
Kontrolluntersuchungen fanden nach einer, zwei, vier und sechs Wochen sowie zu Studienabschluss statt.
Ergebnisse:
Im Ergebnis zeigte der Johanniskrautextrakt eine gegenüber Placebo signifikante Wirksamkeit, und erwies sich als ebenso wirksam wie Imipramin.So erzielte die Behandlung mit dem Phytopharmakon zu Studienabschluss eine Reduktion der depressiven Symptomatik um 15,4 Punkte im Hamilton-Score, unter Imipramin betrug die Besserung 14,2 Punkte und unter Placebo 12,1 Punkte.
- Vergleichbare Ergebnisse wurden hinsichtlich der Hamilton-Angst-Skala erzielt – Verringerung der Scores um 14,3 Punkte unter Hypericum-Therapie, um 12,0 Punkte unter Placebo und um 13,8 Punkte unter Imipramin.
- Auch im klinischen Gesamteindruck (CGI) besserte sich die Symptomatik in der Hypericumgruppe mit 74 Prozent und in der Imipramingruppe mit 70,5 Prozent vergleichbar, während unter Placebo nur bei 50 Prozent eine Besserung eintrat.
- Besonders deutlich ausgeprägt war der günstige Einfluss der beiden Verummedikationen in der Selbsteinschätzungs-Skala nach Zung zu erkennen. Hier reduzierte sich die depressive Symptomatik durch die Behandlung mit dem Pflanzenextrakt signifikant um 17,4 Punkte, unter Imipramin um 16,0 Punkte. Die Placebo-Medikation erzielte nur eine Minderung der Symptomatik um 13,6 Punkte.
- Im Vergleich zu Placebo verbesserte sich unter Johanniskraut und Imipramin auch die Lebensqualität. Eine äquivalente Wirkung zwischen Imipramin und Johanniskraut war allerdings nur bezüglich der mentalen Parameter des SF-36 zu beobachten: Unter Hypericum betrug die Verbesserung 18,4 Punkte, unter Imipramin 17,0 Punkte, unter Placebo 13,1 Punkte.
- Die physische Komponente dieser Bewertungsskala wies hingegen mit 8,2 Punkten allein für den Johanniskrautextrakt eine signifikante Zunahme der Lebensqualität auf, während mit Imipramin nur ein Wert von 5,8 Punkten und unter Placebo lediglich 4,7 Punkte erreicht wurden.
Die Rate an unerwünschten Ereignissen – ausschließlich leichterer Art – war mit 19 bzw. 22 Prozent zwischen Placebo und Hypericum vergleichbar. Sie lag deutlich niedriger als in der Imipramingruppe mit 46 Prozent.
Fazit: Die Daten belegen an einem größeren Patientenkollektiv und mit Hilfe eines den höchsten Standards entsprechenden Studiendesigns, dass der geprüfte Johanniskrautextrakt in einer täglichen Dosierung vom 1.050 mg bei mittelschweren Depressionen eine gegenüber Placebo signifikante Wirksamkeit besitzt und der Effizienz des synthetischen Antidepressivums Imipramin ebenbürtig ist. Im Hinblick auf die Verträglichkeit ist der Johanniskrautextrakt Imipramin überlegen gewesen.
Quelle: Michael Philipp, Ralf Kohnen, Karl-O. Hiller: Hypericum extract versus imipramine or placebo in patients with moderate depression: randomizee multicentre study of treatment for eight weeks. BMJ 1999; 319: 1534-9