Wie experimentell gezeigt werden konnte, verfügen Mistellektine (ML)-I, -II und -III über hemmende Eigenschaften auf das Tumorwachstum. Die begrenzte Verfügbarkeit gereinigter Lektine bzw. die Heterogenität nativer Pflanzenisolate stellten jedoch bislang im Rahmen klinischer Studien einen limitierenden Faktor dar. Nachdem es dem Biotechnologie-Unternehmen B.R.A.I.N. GmbH, Zwingenberg, gelungen ist, die ML-codierenden Regionen von Viscum album zu identifizieren, besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von E. coli-Expressionssystemen ein rekombinantes Mistellektin (rML) zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe um Prof. Fiebig, Freiburg, überprüfte die tumorhemmenden Effekte dieses Mistellektins in vitro und in vivo.
Material und Methodik
Für die in-vitro-Untersuchung dienten Kulturen von 20 humanen Tumorzell-Linien und 48 Zellen aus Tumorgewebe. Mit einem Sulforhodanin-B-(SRB)-Assay wurde die Anti-Tumor-Aktivität gegen die humanen Zell-Linien und mit einem Clonogenic-Assay die Wachstumshemmung der anderen Tumorzelltypen erfaßt. Gleichzeitig wurde die Antitumoraktivität an jeweils vier murinen und humanen Tumoren auch im Tiermodell untersucht.
Ergebnisse
Das rekombinante Mistellektin erwies sich in vitro mit IC70-Werten von im Mittel von 0,4 ng/ml im SRB und 3 µng/ml im Clonogenic-Assay als hoch-potenter Inhibitor des Tumorzellwachstums. In beiden in-vitro-Systemen zeigte rML eine bedeutend höhere Aktivität als die in der Standardtherapie übliche Substanz Adriamycin.
Da jeweils unterschiedliche Aktivitäten gegenüber Karzinomen der Lunge, der Brust, des Pankreas und des Colons zu beobachten waren, wurden diese Tumortypen für die in-vivo-Untersuchung ausgewählt. Unter der Annahme, daß die maximale tolerierte Dosis nach einem Qdx-Schema bei 3 µg / kg pro Tag liegt, wurde rML für den Zeitraum von 2 bis 4 Wochen täglich intraperitoneal in den Dosierungen zwischen 0,3 ng/kg 3 µg/kg Körpergewicht appliziert. In den Dosierungen zwischen 0,3 ng/kg 3 µg/kg Körpergewicht konnte für rML mit einem p-Wert < 0,005 eine signifikant höhere Tumor-hemmung gegenüber der Kontrolle festgestellt werden, und zwar in allen vier transplantierten syngenen murinen Tumormodellen (Lewis Lunge, Renca Niere, C8 Kolon38, F9 Hoden; Treated/Control:1 bis 32 Prozent). Das gleiche traf für einen der vier humanen, in vivo vorkultivierten Tumoren zu (LXFS 538 Lungenkarzinom; Treated/Control: 26 Prozent).
Rekombinantes Mistellektin war gegen F9-testikuläre Karzinome deutlich effizienter als die Standardtherapie mit Cisplatin, und es erwies sich gegen Renca Nieren-Karzinome auch wirksamer als Adriamycin.
Fazit: Die Daten deuten darauf hin, daß rekombinantes Mistellektin als eine hoffnungsvolle Entwicklung in der klinischen Behandlung maligner Tumoren gelten kann, da es neue therapeutische Wege eröffnet.
(Quelle: A. M. Burger, U. Mengs, T. Schwarz, J.B. Schüler, H.H. Fiebig: Recombinant mistletoe lectin (rML) is a potent inhibitor of tumor cell growth in vitro and in vivo. 90th annual meeting of the American Associa-tion for Cancer Research, 10.-14. 4. 1999, Philadelphia)