SARS-CoV-2 befällt nicht nur die Atemwege, sondern auch die Zellen des Intestinums dienen dem Virus als Targets, um in den Organismus einzudringen. Bildnachweis: AdobeStock_327553041
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Künftige Behandlungsstrategien gegen SARS-CoV-2-Infektionen sollten auch im Magen-Darm-Trakt wirksam sein, wie neue Studienergebnisse verdeutlichen. Denn im Zuge einer COVID-19-Erkrankung ist neben den Atemwegen oft auch der Darm Angriffsziel von SARS-CoV-2. Rund die Hälfte der Patienten mit COVID-19 leiden an Durchfall und Übelkeit, wobei diese Symptome vielfach mit einem schweren Krankheitsverlauf einhergehen, wie aus der Studie eines Forscherteams der Universität Ulm hervorgeht. Auch lässt sich das Virus in relativ hohen Mengen im Stuhl von Corona-positiven Menschen nachweisen.

Sogar noch Tage nach einem negativen Test im Nasen-Rachen-Abstrich finden sich die Erreger in den Stuhlproben. Dies deckt sich mit Studienergebnissen von Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Berliner Charité, die besagen, dass Enterozyten der Darmschleimhaut besonders günstige Andockmöglichkeiten für Coronaviren bieten. Denn auf der Oberfläche dieser Zellen, besonders im Duodenum, sind bei gesunden Menschen hohe Konzentrationen sowohl an ACE2-Rezeptoren (Angiotensin-Converting Enzym 2-Rezeptoren) vorhanden als auch an dem körpereigenen Enzym TMPRSS2 (Transmembrane-Serinprotease 2). Gerade diese beiden Proteine benötigt das Virus, um in die Wirtszelle einzudringen.

 

SARS-CoV-2 befällt nicht nur die Atemwege, sondern auch die Zellen des Intestinums dienen dem Virus als Targets, um in den Organismus einzudringen. Bildnachweis: AdobeStock_327553041

SARS-CoV-2 befällt nicht nur die Atemwege, sondern auch die Zellen des Intestinums dienen dem Virus als Targets, um in den Organismus einzudringen.

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Forschungsansatz sind ACE2 und TMPRSS2-Rezeptoren

Bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 bindet der Erreger an den ACE2-Rezeptor, daraufhin spaltet die Protease TMPRSS2 ein virales Protein und damit ist der Weg für das Virus in die Zelle frei. Dort werden weitere Virusbestandteile produziert, die bei genügender Menge aus der Zelle ausbrechen und weitere Körperzellen infizieren.

Das Erlanger Team um Professor Christoph Becker von der Medizinischen Klinik 1 (Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie) entdeckte nun, dass die Bildung von ACE2 und TMPRSS2 auf der Zelloberfläche extern beeinflusst werden kann. So können etwa bestimmte mikrobielle Signale und Botenstoffe des Immunsystems die Zellen stimulieren und dadurch die Ausschüttung von ACE2 im Darmepithel drosseln. Über diesen Mechanismus biete sich theoretisch die Möglichkeit, auf die für das Sars-CoV-2 essenziellen Moleküle an der Zelloberfläche einzuwirken, erklärte Dr. Jay Patankar, Mitautor der Erlanger Studie, in einer wissenschaftlichen Nachricht. Damit stellen ACE2 und TMPRSS2 potenzielle Ansatzpunkte für Medikamente gegen das Coronavirus dar, so Jay. Um diese These zu überprüfen, planen die Forscher weitere Untersuchungen anhand von Infektionsexperimenten an Zellen.

Im Rahmen ihrer Studien haben die Erlanger und Berliner Wissenschaftler zudem die Entdeckung gemacht, dass Patienten mit Darmentzündungen weniger ACE2Rezeptoren besitzen und dass sowohl ACE2 als auch TMPRSS2 ihre Lokalisation in den Enterozyten verändern. Dies könnte nach Ansicht der Untersucher bedeuten, dass der Darm bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn resistenter gegenüber Sars-CoV-2 ist als das Intestinum gesunder Menschen. Zur Einordnung dieser Beobachtung seien aber weitere Studien notwendig.

Auch die Ulmer Forscher um den Virologen Professor Jan Münch und den Gastroenterologen Professor Alexander Kleger gehen möglichen therapeutischen Ansätzen am Darm bei COVID-19-Infektionen nach. Sie nutzten in ihren Studien unter anderem „Minidärme“ aus Stammzellen, um das antivirale Potenzial von Medikamenten, wie zum Beispiel Remdesivir, im Verdauungstrakt zu testen. Die Organoide aus dem Labor sind dem menschlichen Dünndarm sehr ähnlich und besitzen besonders große Mengen der notwendigen Andockstellen ACE2 und TMPRSS2. Die Untersucher setzten die „Minidärme“ dem SARS-CoV-2 aus und erforschten den Infektionsprozess mit verschiedenen molekularbiologischen Methoden. Es stellte sich heraus, dass die meisten Zelltypen, darunter auch hormonbildende enteroendokrine Zellen und für die Immunabwehr wichtige Paneth-Zellen, mit SARS-CoV-2 infizierbar waren, allerdings nicht die schleimproduzierenden Becherzellen, erklärte die Doktorandin und Erstautorin der Ulmer Studie Jana Krüger in einer Mitteilung der Universität. Unter verschiedenen an den infizierten Darm-Organoiden getesteten Medikamenten erwies sich ebenfalls Remdesivir als antiviral wirksam. Der Wirkstoff blockiert die RNA-Polymerase und somit die Vermehrung von SARS-CoV-2.

 

Die Modulation von Membranrezeptoren der Darmzellen könnte einen Ansatz für die Erforschung neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2 bieten. Bildnachweis:, AdobeStock_333523987_luckybusiness

Die Modulation von Membranrezeptoren der Darmzellen könnte einen Ansatz für die Erforschung neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2 bieten.

Bildnachweis:, AdobeStock_333523987_luckybusiness

 

Dr. Dagmar van Thiel

 

Quellen: Krüger J et al. Drug inhibition of SARSCoV-2 replication in human pluripotent stem cell-derived intestinal organoids, Cellular and Molecular Gastroenterology and Hepatology 2020; 11, 4, 935-948. doi:10.1016/j.jcmgh.2020.11.003

Patankar JV et al. Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 Attachment Receptor Angiotensin-Converting Enzyme 2 Is Decreased in Crohn’s Disease and Regulated By Microbial and Inflammatory Signaling Gastroenterology 2021; 925-928.e4. doi:10.1053/j.gastro.2020.10.021

 

PK 3/2021