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Die Häufigkeit von Übergewicht und krankhafter Fettleibigkeit (Adipositas) hat in den letzten vier Jahrzehnten weltweit und auch in Deutschland alarmierend zugenommen. Aktuelle Zahlen zur Häufigkeit zeigt die zweite Welle der bundesweiten Studie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGs-Studie), in die von 2014 bis 2017 insgesamt 6.810 Mädchen und 6.758 Jungen im Alter zwischen drei und 17 Jahren aufgenommen waren. Die Ergebnisse lassen erkennen: Auch aktuell leidet fast jedes sechste Kind in Deutschland unter Übergewicht, 5,9 Prozent sind bereits krankhaft fettleibig.

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder – und Jugendmedizin DGKJ, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte BVKJ und die Deutsche Adipositasgesellschaft DAG nahmen die besorgniserregenden Zahlen zum Anlass, in einer gemeinsamen Stellungnahme wirksame Strategien für den Schutz vor Adipositas zu fordern. Sie sprachen sich dabei unter Federführung von Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, dem Vorsitzenden der Ernährungskommission der DGKJ, für regulatorische Maßnahmen zur Vermarktung von Lebensmitteln aus, z. B. einer Besteuerung gezuckerter Getränke, mit dem Ziel einer Reduktion des Konsums und einer strikten Begrenzung der an Kinder gerichteten Werbung. Damit schlossen sich die deutschen Fachgesellschaften den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 2016 an.

Die Lebensmittelwirtschaft lehnt solche Forderungen nach wie vor ab. Sie betont stattdessen die Bedeutung der Bewegung, psychosozialer und an-derer Einflussfaktoren auf kindliches Übergewicht und versucht, in der Öffentlichkeit und gegenüber politischen Entscheidungsträgern den Beitrag von Ernährung und von verarbeiteten Lebensmitteln herunterzuspielen. Der Beitrag des Bewegungsverhaltens sei jedoch in der Praxis deutlich geringer als die Bedeutung der Ernährung, betonten die Pädiater. 11- bis 13-jährige Jungen in Deutschland trinken nach den Daten der aktuellen KiGGs -Studie im Durchschnitt täglich 450 ml zucker-haltige Getränke (www.rki.de). Wenn diese Menge gezuckerter Getränke durch das Trinken von Wasser ersetzt würde, könnte in 5 1/2 Wochen ein Kilogramm Gewicht eingespart werden. Dagegen braucht der gleiche Junge durch wöchentlich eine Stunde zusätzliches Fußballspiel 19 Wochen für die gleiche Gewichtsänderung, durch eine Stunde zusätzliches Radfahren fast 40 Wochen. Zur Prävention der Übergewichtsepidemie in der Bevölkerung seien daher Veränderungen der Energie- und Nährstoffzufuhr aus Speisen und Getränken unverzichtbar.

„Eine Analyse von elf internationalen Studien kam zu dem Ergebnis, dass ein regelmäßiger Konsum zuckerhaltiger Getränke für etwa ein Fünftel des Risikos der Fettleibigkeit im Kindes – und Jugendalter verantwortlich ist“, sagt Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Ernährungsexperte der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kinder-gesundheit. „Auch Studien aus den USA folgern, dass dort rund 20 Prozent der Gewichtszunahmen der Bevölkerung allein auf das Konto zuckerhaltiger Getränke geht“. Die Stiftung Kindergesundheit hat bereits zum wiederholten Male auf die negative Wirkung von gezuckerten Getränken hingewiesen. Sie empfiehlt: Kinder sollten von klein auf lernen, dass Wasser ein gesundes und wohl-schmeckendes Getränk ist. Limonade, Cola-Getränke, gesüßte Tees oder Eistees, zuckerhaltige Fruchtsäfte, Fruchtnektare oder Fruchtsaftschorle sollten die Ausnahme bleiben und nicht die Regel. In Kindertagesstätten und Schulen sollten keine zuckerhaltigen Getränke angeboten werden (Stiftung Kindergesundheit: „Kinder sollten Wasser trinken!“, idw 18. 10.2018).

 

Trinkverhalten auch in den Schulen fördern

Dass die Förderung des Wassertrinkens in Deutschland funktioniert, zeigt eine von der Bundesregierung geförderte cluster-randomisierte TrinkFit-Studie bei über 3.000 Grundschülern in Nordrhein-Westfalen (Muckelbauer R, et al.: „Promotion and provision of drinking water in schools for overweight prevention: randomized, controlled cluster trial“. Pediatrics. 2009; 123 (4): e661–7).

Die an der Studie beteiligten Kinder bekamen eigene Trinkflaschen und konnten sich an einem Trinkwasserspender mit direktem Anschluss an die Wasserleitung jederzeit mit gesprudeltem oder stillem Trinkwasser versorgen, während die Abgabe zuckerhaltiger Getränke in der Schule unterbunden wurde. Den Kindern der Kontrollschulen wurden Flasche, Wasserspender und Unterrichtsmaterialien erst am Ende des Schuljahres zur Verfügung gestellt. Die Studie ergab:

  • Wenn Kinder in der Schule regelmäßig und ausreichend Wasser trinken, reduziert sich ihr Risiko, übergewichtig zu werden.
  • Insgesamt war bei den Kindern, die an der Aktion teilnahmen, das Risiko des Übergewichts um 31 Prozent geringer, als bei denen, die nicht beteiligt waren.

 

Steuerliche Abgabe für Süßgetränke bremst den Konsum

Die Stiftung spricht sich auch für die Einführung einer Abgabe auf gezuckerte Getränke aus. Begründung: Der höhere Preis würde den Konsum und dadurch das Risiko für Fettsucht, Fettleber und Karies in der Bevölkerung vermindern.

  • Der Staat könnte die zusätzlichen Steuereinnahmen in die Förderung der öffentlichen Gesundheit investieren.
  • Der Bevölkerung würde klar gemacht werden, dass gezuckerte Getränke nicht zur gesunden Ernährung gehören.
  • Die Hersteller erhielten einen starken Anreiz, ihre Produkte mit weniger Zucker zu süßen und gesündere Alternativen anzubieten.

 

Ein Beispiel bietet Mexiko: Dort wurde bereits vor vier Jahren eine Steuer von einem Peso pro Liter gezuckerter Getränke eingeführt. Laut Prof. Koletzko führte in diesem Land mit besonders häufigem Auftreten von Adipositas bei Kindern und Erwachsenen die Steuer zu einer Abnahme des Verkaufs gezuckerter Getränke um 6,3 Prozent, während der Absatz von abgepacktem Wasser um 16,2 Prozent stieg. Die stärksten Effekte wurden in Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen erzielt, die auch die höchste Häufigkeit von Fettsüchtigkeit aufweisen. Viele andere Länder folgten bereits diesem Beispiel. So werden gezuckerte Getränke bereits in Brunei, Katalonien, Portugal, Saudi Arabien, Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten und in fünf Städten der USA besteuert. Eingeführt wird die Steuer auch in Est-land, Großbritannien, Irland, Südafrika und der Stadt Seattle (USA).

Dass die Besteuerung der Süßgetränke tatsächlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben kann, beweist das Beispiel Großbritanniens. Dort müssen Hersteller und Importeure seit April 2018 für zuckergesüßte Getränke Abgaben leisten. Für Getränke mit mehr als fünf bis maximal acht Prozent Zucker werden pro Liter 18 britische Pence und für Getränke mit mehr als acht Prozent Zucker 24 Pence veranschlagt. Wissenschaftler errechneten, dass durch diese Maßnahmen und den verminderten Zuckerkonsum mit Getränken in Großbritannien 144.000 weniger fettsüchtige Kinder und Erwachsene, 19.000 weniger auftretende Fälle von Diabetes Typ 2 und 270.000 weniger durch Karies geschädigte Gebisse pro Jahr erreicht werden können, mit entsprechend enorm hohen unmittelbaren Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen.

Der Zuckerkonsum der Briten ging aber schon kurz nach der Ankündigung einer Besteuerung deutlich zurück. Um von der günstigeren Steuerstufe zu profitieren, haben nämlich viele Hersteller den Zuckeranteil ihrer Produkte so reduziert, dass für sie nur eine geringere oder gar keine Besteuerung gilt. So hat beispielsweise Coca Cola in Grossbritannien den Zuckergehalt von Fanta von 6,9 auf 4,6 Gramm pro 100 ml und von Sprite von 6,6 Gramm auf 3,3 Gramm gesenkt. Auch Supermarktketten haben den Zuckergehalt vieler Eigenmarken unter die Fünf-Gramm-Grenze gesenkt.

In Deutschland dagegen beträgt der durchschnittliche Zuckergehalt gesüßter Getränke nach aktuellen Erhebungen von Foodwatch 7,3 Prozent. Das sind nach wie vor etwa sechs Zuckerwürfel je 250 ml Glas. Eine Sonderabgabe auf zuckerhaltige Getränke, wie sie in vielen Ländern schon existiert, könnte auch in Deutschland die gesündere Getränke-auswahl erleichtern. Prof. Koletzko: „Wir hoffen sehr auf die Bereitschaft der Politik zu konsequenten Maßnahmen, denn die Lasten des heute bestehenden kindlichen Übergewichts für Krankheitsfolgen und eingeschränkte Lebenschancen sind enorm hoch. Allein die Gesundheitskosten für die heute in Deutschland übergewichtigen Kinder und Jugendlichen belaufen sich auf 1,8 Milliarden Euro. Es ist also höchste Zeit zum Handeln“.

 

Gesüßte Getränke sollten bei Kindern die Ausnahme bleiben.

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Lajos Schöne

PK 4/2020