Antidementiva werden zur symptomatischen Therapie von Demenzerkrankungen eingesetzt. Verschiedene Substanzen sind als Antidementiva anerkannt. Zu den nach aktuellen Prüfrichtlinien wissenschaftlich am besten untersuchten und dokumentierten Substanzen gehören Acetylcholinesterase-Hemmer und der Ginkgo Spezialextrakt EGb 761. Da keine direkten Vergleichsstudien zwischen Acetylcholinesterase-Hemmern und EGb 761 existieren, wurden von A. Wettstein vom Stadtärztlichen Dienst Zürich – um die Wirksamkeit beider Gruppen gegenüberzustellen – in einer Metaanalyse die Ergebnisse placebokontrollierter klinischer Studien verglichen.
Methodik
In die vergleichende Analyse wurden ausschließlich publizierte, randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien von mindestens sechsmonatiger Dauer aufgenommen. Dazu zählten Studien mit den Acetylcholinesterase-Hemmern Tacrin, Donepezil, Rivastigmin und Metrifonat und mit Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761.
Folgende Studien wurden einbezogen:
- Knapp M. J. et al.: A 30-week randomized trial of high dose Tacrin in patients with Alzheimer disease, J. Amer. Med. Assoc. 271 (1994), 985-991
- Rogers S. L. et al.: A 24-week, double-blind, placebo-controlled trial of donepezil in patients with Alzheimer’s disease. Neurology 50 (1998), 136-145
- Morris J. et al.: Metrifonat benefits cognitive, behavioral and global function in patients with Alzheimer disease, Neurology 50 (1998), 1222-1230
- Corey-Bloom J et al.: A randomized trial evaluating the efficacy and safety of ENA 713 (rivastigmin tartrate), a new acetylcholinesterase inhibitor, in patients with mild to moderately severe Alzheimer disease, Int. Geriatr. Psychopharmacol. 1 (1998), 55-65
- Le Bars P. L. et al: A Placebo-Controlled, Double-blind, Randomized Trial of an Extract of Ginkgo Biloba for Dementia, JAMA, 278 (1997), 1327-1332
- Kanowski S. et al.: Proof of Efficacy of the Ginkgo Biloba Special Extract EGb 761 in Outpatients Suffering from Mild to Moderate Primary Degenerative Dementia of the Alzheimer Type or Multi-infarct Dementia, Pharmacopsychiat. 29, (1996), 47-56
- Rogers, S.L., Friedhoff, L.T.:Long-term efficacy and safety of donepezil in the treatment of Alzheimer’s disease: an interim analysis of the results of a US multicenter open label extension study. Eur. Neuropharmacol. 8 (1998), 67-75
- Rösler, M. et al.: Alzheimer Demenz und Exelon, Georg Thieme, Stuttgart 1998
Ein Hauptmerkmal der Demenzerkrankungen ist die Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten im Verlauf der Krankheit. Für den Wirksamkeitsnachweis eines Antidementivums in klinischen Studien wird deshalb als Standard die kognitive Testung anhand des ADAS-Cog verlangt.
Als entscheidende Kriterien für den Vergleich der Studien galten die Veränderungen der ADAS-Cog unter Therapie, die Verzögerung der Krankheitssymptomatik sowie die Responder- und die Drop-out-Raten.
Verglichen wurden die Verum-Placebo-Differenzen in ihrer Auswirkung auf kognitive Leistungen, wobei auch die Abbruchquoten infolge unerwünschter Ereignisse Berücksichtigung fanden. Unterschiede in Verum-Placebo-Differenzen lassen einen besseren Vergleich von Studienergebnissen zu als Absolutzahlen allein.
Ergebnisse
Bereits die Studienpopulationen der einzelnen Studien unterschieden sich deutlich. Die Daten der Testung mit dem Mini-Mental-Status-Test bei Studienbeginn aus allen Studien ließen darauf schließen, dass die Patienten der EGb 761-Studien sich im Mittel in einem leichteren Krankheitsstadium befanden als die mit Acetylcholinesterase-Hemmern behandelten Patienten.
Die Patienten in der Rivastigmin-Studie waren im Durchschnitt älter als in anderen Studien.
Die ADAS-Cog-Veränderungen im Behandlungsverlauf der einzelnen Studien als Nachweis der klinischen Wirksamkeit waren in den Placebogruppen ausgeprägter im Vergleich zu den Verumgruppen. Es war ersichtlich, dass die Verum-Placebo-Differenzen im ADAS-Cog hauptsächlich auf den Verschlechterungen der Placebo-Patienten basierten, wogegen sich die ADAS-Cog-Werte der Verumpatienten während die Behandlung nicht wesentlich änderten.
Bei der Berechnung der Verzögerung der Krankheitssymptomprogression wurden mangels Daten aus Doppelblindstudien zum Teil die Ergebnisse offener Studienweiterführungen herangezogen. Insgesamt ergaben sich Verzögerungen im Intervall von 5,3 bis 9,5 Monaten, bedingt durch die erforderlichen Berechnungsunterschiede. Deshalb kann keine der Substanzen den anderen als überlegen angesehen werden.
Die Unterschiede der Verum/Placebo-Differenzen der Responderraten bewegten sich in einem Bereich von maximal 12 Prozent. Da die einzelnen Studien nicht exakt vergleichbar sind, kann dieser Unterschied als nicht relevant betrachtet werden.
Aus den Verum-Placebo-Differenzen der Abbrecherquoten aufgrund unerwünschter Ereignisse wurde auf die Verträglichkeit der einzelnen Substanzen geschlossen. In den Patientengruppen, die mit höheren Dosen von Acetylcholinesterase-Hemmern behandelt wurden, zeigten sich deutlich höhere Differenzzahlen im Vergleich zu EGb 761, wobei Tacrin auffällig hohe Quoten aufwies. Dies ließ den Schluss zu, dass EGb 761 ein sehr günstiges Nebenwirkungsprofil besitzt, die weitere Einnahme von Tacrin dagegen kritisch abzuwägen ist.
Fazit: Acetylcholinesterase-Hemmer der zweiten Generation und Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761 sind in der Behandlung der leichten bis mittel-schweren Demenz als gleichwertig zu betrachten.
(Quelle: A. Wettstein: Cholinesterasehemmer und Ginkgoextrakte – in der Demenztherapie vergleichbar? Fortschritte der Medizin 117. Jhg., Originalien Nr. 1, 1999, 11-18)