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Naturheilmittel spielen in der Apotheke eine besondere Rolle, denn sie werden von Patienten vor allem im Rahmen der Selbstmedikation verstärkt nachgefragt. Im Bereich der Phytotherapie ist der Apotheker aufgrund seiner schon im Studium erworbenen Kenntnisse Experte und kann dazu beitragen, das Qualitätsbewusstsein seiner Kunden kompetent zu unterstützen.

Arzneipflanzen haben eine lange Tradition. Sie waren früher die einzigen Heilmittel und lieferten vielfach die Grundstruktur für die Entwicklung zahlreicher chemisch-synthetischer Arzneimittel, von Digitoxin bis hin zu Vinca-Alkaloiden. Die heutige moderne Phytotherapie entstand aus der seit Jahrtausenden bekannten Naturheilkunde. Mit der damaligen Kräutermedizin hat sie allerdings nicht mehr viel gemeinsam. An Qualität und Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel werden heute hohe Ansprüche gestellt. „In vielen Fällen kennen wir das Wirkprinzip und verfügen über gute klinische Studien zu Nutzen und Risiken von Phytopharmaka“, erklärte Professor Dr. Robert Fürst, geschäftsführender Direktor am Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität in Frankfurt, im Gespräch mit dem Phytokompass.

 

Bedeutung vor allem in der Selbstmedikation

Auch wenn heutzutage chemisch-synthetische Arzneistoffe im Arzneimittelmarkt dominieren, spielen pflanzliche Arzneimittel bei vielen Indikationen eine wichtige Rolle: Für die Behandlung von Befindlichkeitsstörungen und leichteren chronischen Erkrankungen, wie gastrointestinalen Beschwerden, Schlafstörungen oder Atemwegserkrankungen sind sie aufgrund ihrer großen therapeutischen Breite und des meist günstigen Nebenwirkungsprofils sehr gut geeignet. Vor allem im Bereich der Selbstmedikation haben sie zusammen mit Homöopathika mit 31 Prozent des Umsatzes eine bedeutende Marktrelevanz erlangt (Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH)). Bei Verbrauchern und Patienten liegen Heilpflanzen also voll im Trend. Von Apothekern erwarten sie gute Kenntnisse und eine sichere Beratung. Diese Erwartungen sollten gerechtfertigt sein, denn bereits im Studium nimmt die Botanik einen großen Raum ein.

 

Universitärer Schwerpunkt „Heilpflanzen“

Der Apotheker ist Experte für Arzneimittel, auch für die pflanzlichen. So überrascht es nicht, dass schon im Pharmaziestudium Heilpflanzen im Fach „Biogene Arzneistoffe“ gut vertreten sind und dieser Bereich fast 15 Prozent der Vorlesungen und Übungen des universitären Studienteils umfasst. „Heilpflanzen spielen nach wie vor eine wichtige Rolle in der universitären Ausbildung der Apotheker, sowohl im Grund- wie auch im Hauptstudium“, hob Fürst hervor. „Ich halte das auch für wichtiger denn je, damit die künftigen Apotheker lernen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wir schlagen in der Ausbildung den Bogen von der Pflanze über den Extrakt zur Evidenz der therapeutischen Anwendung.“ Die Entscheidung für die Auswahl eines geeigneten Phytopharmakons müsse auf Basis der Evidenz fallen, nicht auf Grund von Erfahrungswissen, erläuterte der Hochschullehrer. Phytopharmaka hätten bei verschiedenen Indikationen in den letzten Jahren auch den Weg in die aktuellen Leitlinien gefunden.

„Das Interesse der Studenten an diesem naturwissenschaftlichen Vorgehen ist groß“, berichtete Fürst. Allerdings wende sich in der Praxis oft das Blatt, aufgrund der Wünsche und Vorstellungen der Patienten sowie des ökonomischen Drucks. „Wir verlassen oft zu schnell den Boden der Rationalität“, bedauerte der Experte. Die Weiterbildung für Apotheker ist analog derjenigen für Ärzte strukturiert. So ist es möglich, nach der Approbation eine Weiterbildung zum Fachapotheker anzuschließen. Apotheker können sich weiterbilden in den Fächern Allgemeinpharmazie, Klinischer Pharmazie, Pharmazeutischer Analytik und Technologie, Toxikologie und Ökologie, Arzneimittelinformation und Öffentliches Gesundheitswesen. Erst danach kann noch eine Zusatzbezeichnung erworben werden, u.a. im Bereich „Naturheilverfahren und Homöopathie“.

Die Bundesapothekerkammer schreibt für die Erlangung dieser Zusatzbezeichnung vor, die Tätigkeit von mindestens zwölf Monaten in einer Apotheke sowie die Teilnahme an theoretischen Weiterbildungsseminaren mit einem Umfang von mindestens 100 Zeitstunden nachzuweisen. Daneben ist im Rahmen der Weiterbildung eine Projektarbeit anzufertigen und eine Prüfung zu absolvieren. Die 100 Stunden Theorie verteilen sich – je nach Landesapothekerkammer – auf rund 40 Stunden Phytotherapie, 40 Stunden Homöopathie und 20 Stunden andere Therapierichtungen wie Aromatherapie, Bachblütentherapie oder Traditionelle Chinesische Medizin.

„Die Verknüpfung von Phytotherapie mit Naturheilverfahren und Homöopathie halte ich für sehr unglücklich“ sagt Fürst. „Vermittelt das doch einen völlig falschen Eindruck von moderner Phytotherapie. Heilpflanzen spielen zwar auch in der Homöopathie und in der anthroposophischen Medizin eine Rolle, doch auf der Grundlage eines ganz anderen Gedankenkonzeptes“. Auch in der ärztlichen Weiterbildung existiert kein eigener Bereich „Phytotherapie“, sondern die Phytotherapie ist in den Komplex „Naturheilverfahren“ integriert. Die Homöopathie ist allerdings eine eigene Zusatzbezeichnung, wobei das Weiterbildungsangebot von einigen Landesärztekammern aufgrund der aktuellen politischen Diskussion über den Stellenwert der Homöopathie gestrichen wurde. Die ärztliche Weiterbildung „Naturheilverfahren“ ist etwas umfangreicher als das pharmazeutische Pendant: Sie umfasst 160 Zeitstunden im Vergleich zu 100 in der pharmazeutischen Weiterbildung.

 

Pflanzliche Arzneimittel: Check von Qualität und Wirksamkeit

Ziel des Weiterbildungsschwerpunkts „Phytotherapie“ für Apotheker ist es, folgende Kompetenzen zu erlangen:

  • Phytopharmaka hinsichtlich ihrer Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Vergleichbarkeit mit anderen Phytopharmaka beurteilen zu können.
  • Extrakte aufgrund ihres Herstellungsverfahrens in Bezug auf ihre Klassifizierung, Normierung/Standardisierung und Deklaration einzuschätzen.
  • Patienten zu ärztlich verordneten Phytopharmaka zu informieren und zu beraten sowie ärztliche Therapien durch zusätzliche Empfehlungen von Phytopharmaka zu begleiten.
  • Die Eignung eines Krankheitsfalles für die Selbstmedikation mit Phytopharmaka zu beurteilen, die Grenzen der Selbstmedikation zu erkennen und Patienten über die sachgerechte Anwendung der Phytopharmaka zu beraten.
  • Phytopharmaka von homöopathischen Arzneimitteln und Arzneimitteln komplementärer Therapieverfahren abzugrenzen.

 

Naturmedizin ist ein beliebtes Fortbildungsthema

Tatsächlich haben bis Ende 2019 nur 2.281 der 10.272 Fachapotheker für Allgemeinpharmazie die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren und Homöopathie“ erworben. Im Apothekenalltag sind Phytopharmaka also sehr präsent, doch über Spezialkenntnisse im Rahmen einer Weiterbildung verfügen bis jetzt nur wenige Apotheker. Anders sieht die Situation in der kontinuierlichen Fortbildung aus, die Apotheker absolvieren, um in ihrem Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, Kompetenzen zu entwickeln und an aktuellen Entwicklungen in einer sich rasch entwickelnden Wissenschaft teilzuhaben (siehe Kasten). Hier würden die Landesapothekerkammern, die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft sowie die großen Kongresse, wie Interpharm und Pharmacon, regelmäßig Vorträge zu evidenzbasierter Phytotherapie nachfragen, berichtete Fürst.

Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 trägt der Verbraucher deutlich mehr Eigenverantwortung für seine Gesundheit. Der Apotheker hat als Arzneimittelexperte die Chance, auch bei Phytotherapeutika das Qualitätsbewusstsein des Verbrauchers zu stärken und ihn dabei zu unterstützen, die Spreu vom Weizen zu trennen. „Das halte ich auch für außerordentlich wichtig. In einem ausufernden Markt von apotheken- und freiverkäuflichen Arzneimitteln, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln tut Aufklärung Not! Wir müssen die Lanze für die Evidenzbasis hoch halten“, lautete das Fazit des Frankfurter Hochschullehrers.

 

Hannelore Gießen

Apothekerin

PK 6/2020